Die Wegwarte – ein „vergessener“ Schatz
Altes Gartenwissen und Gärtnerweisheiten
Die Wegwarte wird von Bienen, vor allem von Hosenbienen, und Schwebfliegen bestäubt. Die Gemeine Wegwarte war 2020 die „Heilpflanze des Jahres“ und ist in Mitteleuropa oft an Weg- und Straßenrändern zu finden. Foto/Li.: P. Weber/Pixelio, Foto/Re.: Kurt Klement/Pixelio
Von Erik Behrens, Gartenfachberater, Pflanzendoktor
Die Sage nach der verwunschenen Jungfrau, die am Wege steht und in unerschütterlicher Treue auf die Rückkehr ihres Liebsten wartet, gibt es in verschiedenen Fassungen. Hier ist es der Krieger, der in die Schlacht ziehen musste, dort der Bursche, der die Treue versprochen hat und wiederkehren wollte, aber der eine kam so wenig nach Hause wie der andere.
Aus Mitleid wurde das Mädchen in die Blume mit den großen blauen Blütenaugen verwandelt. Da steht sie nun und wartet auf den Schatz. Und wenn der wirklich einmal wiederkommen sollte, dann wird sie entzaubert. Doch die Wegwarten blühen noch immer am Wegesrand und drehen ihre Blütenköpfe wie suchend nach dem Stand der Sonne.
Die Wurzel der Wegwarte sollte man zu Jacobi (25. Juli) oder zu Peter und Paul (29. Juni) mittags ausgraben, wenn die Sonne besonders heiß scheint. Man darf sie nicht mit der bloßen Hand berühren. Am besten nimmt man zum Graben ein Hirschgeweih oder ein Goldstück. Obendrein darf man auch nicht dabei sprechen. Ist das alles erfüllt, dann hat man eine Zauberwurzel, mit der man in jedem Menschen treue Liebe erwecken kann, wenn man ihn damit berührt.
Aus den kräftigen spindelförmigen Wurzeln dieses Korbblütlers, der häufig an Wegrändern, Ackerrainen und Brachflächen anzutreffen ist, wurde schon vor Jahrtausenden durch Rösten der den Magen schonende Zichorienkaffee gewonnen. Heute verwendet man dazu spezielle Zuchtsorten – die Wurzelzichorien, die auch als Gemüse genutzt werden können und der Insulingewinnung dienen.
Die Wegwarte ist zugleich Stammform anderer Gemüse, nämlich von Chicorée, Radicchio und Zuckerhut. Sie wächst in Europa, in Nordafrika und reicht über Afghanistan und Sibirien bis zum Baikalsee. Die Blätterform mit den gelben, rosafarbenen oder violetten Blättern wird während der gesamten Vegetationszeit im Freien angepflanzt. Meistens wird die Chicorée jedoch im Winter zur schnellen Entwicklung ihrer Knospen getrieben. Sie ist vor allem in Westeuropa, in Frankreich und Belgien beliebt, wo sie schon vor 120 Jahren veredelt wurde.
Zum einen wird erzählt, dass belgische Bauern 1870 ihre Zichorienwurzeln infolge ungewöhnlich hoher Ernteerträge im Gewächshaus einlagerten, und sie während des Winters die kräftigen Triebe entdeckten. Zum anderen wird sogar ein Bezug zur Gründung des Königreiches Belgien im Jahr 1830 erwähnt:
Um die zur Verwendung als Ersatzkaffee gezüchteten Zichorienwurzeln in den revolutionären Zeiten nicht zu verlieren, versteckten Bauern in Brabant diese Wurzeln durch das Abdecken mit Erde. Beim Ausgraben wurden dann die knackigen weißen Blätter entdeckt. Von diesem „weißen Laub“ – niederländisch „wit loof“ – wurde die niederländische Bezeichnung für Chicoreé „Witloof“ abgeleitet. Chicorée hat einen sehr zarten, angenehm bitterlichen Geschmack. Die getriebenen Knospen können wir von Dezember bis März ernten. Die Blätter enthalten Vitamin C und das Glykosid Intybin, das ihr den typischen Geschmack verleiht.
Auffällig an der ausdauernden Wildpflanze, die seit alters als Heilpflanze genutzt wird, ist ihr täglicher Blührhythmus. Die hübschen, leuchtend blauen Blütenkörbchen öffnen sich von Juli bis August schon morgens um 6 Uhr und schließen sich gegen 12 Uhr wieder.
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