Meister Bockert sorgt nicht nur für nasse Füße im „Heidegrund“
Kleingartenverband der Gartenfreunde Eilenburg e.V.
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Der Biber ist in der Kurstadt Bad Düben im Landkreis Nordsachsen fast allgegenwärtig – als Maskottchen „Billi Bockert“ und Symbolfigur des Naturparks Dübener Heide und natürlich in der freien Natur als lebendiges Exemplar. Mehrere von ihnen leben bereits seit Jahren auch am Schleifbach, an den die Kleingartenanlage „Heidegrund“ grenzt. „Wir sind bisher immer gut mit den Tieren ausgekommen, auch wenn sie in der Vergangenheit ihre Röhren schon mehrfach vom Bachlauf unter unserem Bachweg hindurch bis in die Kleingärten gegraben haben“, erläuterte Vereinsvorsitzender Manfred Trommer.
„Bei mir haben sie bereits einmal einen Obstbaum umgelegt und sogar das im Erdreich verlegte Elektrokabel durchgebissen – da musste ich selbst wie ein Biber graben, um die schadhafte Stelle zu finden“, lacht das Gründungsmitglied des Vereins. Doch was sich im vergangenen Herbst rund um Schleifbach und Biber abgespielt hat, spottet jeder Beschreibung, macht der Vereinschef eine ernste Miene. „Wir Gartenfreunde mussten uns ernsthaft fragen, ob der Biber in unserer Kurstadt Narrenfreiheit genießt und ob sein Tun mehr wert ist als der Schutz unserer Gesundheit und unseres Eigentums.“
Vereinsvorsitzender Manfred Trommer (vorn) und sein Vorgänger Gerd Blankmann, der im Herbst 2020 in einen Bibergang gestürzt war,
an einer überfl uteten Stelle des Bachweges der KGA „Heidegrund“. Blick auf den zum Teich angewachsenen, ansonsten schmalen Schleifbach. Die Gartenfreunde halten von der KGA aus den Grünaufwuchs kurz. Fotos: ps
Was war geschehen?
Der Biber hatte seit Anfang August den Schleifbach kurz vor der Brücke in Richtung Obermühle angestaut und ließ ihn über die Ufer treten. Im Bereich des Schalmweges, an dem auch die KGA „Heidegrund“ liegt, und des Terrainkurweges in Richtung Naturpark, der dann sogar ganz gesperrt werden musste, holten sich Anlieger und Spaziergänger nasse Füße.
Mehr noch: Der vormalige Vereinsvorsitzende Gerd Blankmann ist auf dem Bachweg, den der Biber wie auch den Damm vom Schleifbach zur KGA unterwandert hatte, eingebrochen und hat sich dabei heftige Schürfwunden zugezogen, die die Gartennachbarin Petra Trommer erstversorgt hat – von den Schäden an der Bekleidung einmal ganz abgesehen.
Die leicht hängig angelegten Gärten durchfeuchten und rutschen ab, auch die Fundamente einiger Gartenlauben haben wie bei KarlHeinz Rothe bereits Schäden davongetragen, weil sich das Erdreich absenkt und das Mauerwerk durchfeuchtet. Die Betonpfähle des Außenzaunes haben kaum noch Halt und neigen sich immer stärker zum Gewässer hin, das sich vom schmalen Bach längst zum großen Teich entwickelt hat. Am gegenüberliegenden Ufer musste die Muldeland Agrar GmbH Bad Düben im vergangenen Sommer wegen der Überflutung einen Teil ihres Maisfeldes stehen lassen, wofür sie Entschädigungszahlungen erhalten hat, was den eingetretenen Schaden zumindest verringerte.
„Doch wer bezahlt unsere Schäden?“, fragen sich die Gartenfreunde um Manfred Trommer besorgt. „Unser Zaun und unser Bachweg werden nachhaltig beschädigt wie auch das Privateigentum der Gartenpächter entlang des Bachweges. Und die Schadensanzeige von Gartenfreund Blankmann liegt noch immer bei der Versicherung, von seinen körperlichen Blessuren einmal ganz abgesehen.
Auch auf unseren Vorschlag, die überfluteten Bereiche am Bachweg zumindest mit Kies aufzufüllen, damit die Gartenfreunde wieder trockenen Fußes in ihre Gärten gelangen, hat die Stadt bislang nicht reagiert. Wir fragen uns wirklich, ob hier der Tier- und Naturschutz über das Wohl der Bürger und Anlieger gestellt wird, denn im Jahre 2019 sind die Behörden auch gegen den Biberbau vorgegangen und haben die Burg abgetragen.“
Der Stadt seien 2020 die Hände gebunden gewesen, erklärte Bürgermeisterin Astrid Münzer gegenüber der Regionalzeitung LVZ: „Wir standen im engen Kontakt mit der Naturschutzbehörde und konnten nicht viel mehr ausrichten als die entstandenen Schäden wieder in Ordnung zu bringen, die durch die Überschwemmung entstehen.“ Der Biber hatte seinen Bau an der Obermühle und staute den Schleifbach an, um so bis zu den Feldern zu schwimmen, wo er ausreichend Futter gefunden hat.
Nach Auskunft der Naturschutzbehörde sei der Biber im Jahre 2020 aufgrund der Trockenheit besonders schützenswert gewesen – wer dort eingegriffen hätte, hätte sich strafbar gemacht, erklärte das Stadtoberhaupt. Dem Biber Einhalt zu gebieten, einzugreifen und Biberdämme bzw. Biberburgen zu entfernen kommt der Zerstörung seiner Lebensstätte gleich, ergänzte Nordsachsens Umweltdezernent Eckhard Rexrodt.
„Das Absenken von Biberdämmen ist unter eng gefassten Rahmenbedingungen möglich, jedoch auch nur kurzzeitig von Erfolg gekrönt, da der Biber versucht, die ursprünglichen Bedingungen wieder herzustellen. Die vollständige Entfernung des Biberhabitats ist eine rechtlich unzulässige Handlung.“
Zudem seien noch keine erheblichen Beeinträchtigungen eingetreten, auch dürfe der Biber in seinem Lebensraum nicht gestört werden, unterstrich er Mitte September 2020. Das sah zu diesem Zeitpunkt selbst die Kontaktstelle Bibermanagement im Naturparkhaus Bad Düben etwas anders: Man dürfe dem Biber wenn auch mit größtem Fingerspitzengefühl durchaus Einhalt gebieten, denn im Herbst ist der Bibernachwuchs aus dem Gröbsten raus und würde einen Rückbau des Biberdammes durchaus verzeihen.
Auch Eckhard Rexrodt räumte schließlich ein, dass eine Überstauung von Kleingartenflächen sicherlich kein Naturschutzziel sei und einer Lösung bedürfe. „Zum Zeitpunkt der Begehung konnten jedoch keine erheblichen Beeinträchtigungen festgestellt werden“, erklärte er. Kleinere Beeinträchtigungen wie ein zeitweilig unter Wasser stehender Radweg oder die Überflutung von kleinen Anteilen von Acker- oder Grünflächen seien hingegen vom Grundsatz her zumutbar und zu dulden, teilte das Umweltdezernat mit.
In die Auseinandersetzung brachten sich dann auch Lokalpolitiker ein, die beklagten, dass die entstandenen Schäden von der Stadt – also letztlich vom Steuerzahler – beglichen werden müssten. Im Ergebnis der teils öffentlich geführten Diskussionen hatte letztlich auch die Untere Naturschutzbehörde eingelenkt: Ende September wurde schließlich ein Biberdamm mit schwerer Technik ganz beseitigt und das zweite Bauwerk um etwa 30 cm abgetragen, informierte Manfred Trommer. „Doch der Biber ist überaus fleißig und lässt seine Burg immer wieder wachsen, während die Arbeiter sie aller paar Wochen erneut stutzen – es ist wie ein Katz-und-Maus-Spiel.“ Inzwischen ist der Biberdamm rund 20 m breit, und auch zwei Dutzend Enten haben sich hier bereits angesiedelt.
So sah eine der beiden Biberburgen im September 2020 aus, die das Wasser des Schleifbaches angestaut und zu großflächigen Überflutungen bis an die Bundesstraße 2 herangeführt haben. Foto: ps
Doch die Kleingärtner bringt all das nicht weiter, Damm und Weg sind weiterhin unterhöhlt, das Erdreich zum Schleifbach hin durchfeuchtet und das Mauerwerk der Gartenlauben nass. Ihre Hoffnung setzen sie jetzt darauf, dass Bürgermeisterin Astrid Münzer ein Projekt aus dem Jahre 2014, das zum Ziel hatte, den Bachlauf zu renaturieren, inzwischen durch alle Instanzen gebracht hat. Nunmehr liegt das Vorhaben bei der Landesdirektion, und das Stadtoberhaupt hat den Umweltminister nach Bad Düben eingeladen, damit man in dieser Sache weiterkomme.
Das sei auch dringend erforderlich, bestätigt der Vereinsvorsitzende, denn ein weiterer Kritikpunkt ist der Zustand des Schleifbaches. Der ist im Bereich der KGA „Heidegrund“ ziemlich verwildert und zugewachsen. „Früher wurden hier regelmäßig Pflege- und Schnittarbeiten durchgeführt, und wir Kleingärtner schneiden den Aufwuchs von außerhalb an unserem Bachweg zurück – mehr können wir nicht tun. Doch eine gründliche Pflege des Bachlaufes ist schon seit Jahrzehnten nicht mehr erfolgt.“
Übrigens: Die Kleingärtner durften selbst im trockenen Sommer 2020 das vom Biber im Schleifbach angestaute Wasser nicht zum Gießen benutzen, um so auch den Wasserstand zumindest etwas abzusenken, denn die Entnahme von Oberflächenwasser aus öffentlichen Gewässern war aufgrund der Trockenheit untersagt – trotz nasser Füße am Bachweg.
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