Vereinsheime und Corona – zum Wohle, aber keine Kohle
Regionalverband Vogtländischer Kleingärtner e.V.
2 Min. Lesedauer
90 Jahre Geschichte eines Vereinsheimes
Im Herbst des Jahres 1931 wurde der Kleintierzucht- und Gartenbauverein „Süd-Ost“ in Plauen gegründet. Den Aufzeichnungen des Protokolls vom Grundstücksamt Plauen vom 6. März 1933 ist zu entnehmen: „Auf Antrag der Vereinsleitung wurden dem Verein zur Erstellung der Gartenanlage aus den vom Reiche nach der Verordnung des Reichspräsidenten vom 6. Oktober 1931 und den Richtlinien des Reichskommissars für die Kleinsiedlungen vom 10. November 1931 bereitgestellten Mitteln Darlehen von insgesamt 27.000 RM gewährt.“
Im gleichen Jahr, so ist zu lesen, schwebte gegen den Vorsitzenden und den 1. Kassierer des Vereins ein Verfahren wegen angeblicher Verfehlungen in Bezug auf die Führung der Vereinsgeschäfte und der Verwendung des Reichsdarlehens. Ihnen wurde vorgeworfen, durch ihre zu mindestens leichtfertige Führung der Vereinsgeschäfte den Verein in große Schulden gestürzt zu haben, wodurch der Weiterbestand der Gartenanlage sehr gefährdet erschien. Als Hauptursache wurde der Bau des Vereinsheims gesehen. Neben dem benannten Reichsdarlehen bestanden weitere Forderungen für den Bau des Vereinsheimes in Höhe von 44.000 RM.
Im Jahre 2017 konnten wir gemeinsam mit Solowirt Werner sein 20-jähriges Pachtjubiläum feiern – damals noch ohne Mindestabstand und Mund-NasenSchutz. Foto: Verein/Steffen
Ein geschlossener außergerichtlicher Vergleich mit den Gläubigern in vertraglicher Zusammenarbeit mit der Brauerei Löwenbräu in Hof, die dem Verein die notwendigen Mittel für den Vergleich zur Verfügung gestellt hatte, sicherte den Bestand der Kleingartenanlage – und das bis zum heutigen Tag.
Interessant ist, dass die geschlossenen Verträge von der Landesstelle für Kleingartenwesen in Dresden geprüft wurden und dass dem Gartenbauverein „Süd Ost“ die Gemeinnützigkeit und die Zugehörigkeit zum Landesverband Sachsen der Schreber- und Gartenbauvereine in diesem Protokoll bestätigt wurde. Es ist weiter zu erfahren, dass unser Vereinsheim am 1. Januar 1933 seiner Bestimmung übergeben wurde und dass zum Bau neben den geldwerten Mitteln 30.000 freiwillige Arbeitsstunden von den Vereinsmitgliedern geleistet wurden. Man bedenke, das alles in zwei Jahren von 1931 bis 1933, eine Gartenanlage mit 280 Kleingärten zu gründen und zusätzlich ein Vereinsheim in freiwilligen Arbeitsstunden zu errichten. Im Umkehrschluss hat jedes Vereinsmitglied in jenen beiden Jahren über 100 freiwillige Arbeitsstunden geleistet. Jeder Vereinsvorsitzende würde sich heute einen derartigen Einsatz seiner Mitglieder wünschen und nicht immer über die Notwendigkeit von Gemeinschaftsarbeit diskutieren zu müssen – lang, lang ist es her.
Ein Treffpunkt nicht nur für Gartenfreunde
90 Jahre Geschichte eines Vereinsheimes sind eine lange Zeit – doch leider ist nicht alles chronologisch dokumentiert. Unser Vereinsheim war über die Jahrzehnte bewirtschaftet, stand aber in DDR-Zeiten zeitweise leer und diente sogar als Möbellager. Durch das Ansinnen von Vereinsmitgliedern konnte Mitte der 1970er-Jahre das Vereinsheim wieder seiner ursprünglichen Bestimmung zugeführt werden und ist seitdem bis zum heutigen Tag ganzjährig verpachtet und bewirtschaftet.
Wenngleich zu DDR-Zeiten nicht viel Geld und Material für die Instandsetzung vorhanden war, so ging doch jedes Gartenmitglied gern in die „Kantine“ – so wurde das Vereinsheim genannt, und auch heute noch hört man von älteren Vereinsmitgliedern diese Bezeichnung. Ein Treffpunkt für Jung und Alt – nicht nur für die Gartenfreunde selbst, sondern auch für die Bewohner umliegender Wohnbereiche.
Die Gartenfreunde von der KGS „Süd-Ost“ Plauen sind froh, dass über den Sommer zumindest der Freisitz am Vereinsheim wieder genutzt werden kann. Das Auge isst mit – auch im Außenbereich der Vereinsgaststätte, der stets gut gepflegt ist. Fotos: Verein/Steffen
Und es heißt nicht mehr: „Gehen wir in die Kantine?“ Heute sagt man: „Wir gehen zum Werner.“ Werner ist unser Pächter und Wirt seit 23 Jahren, Sommer wie Winter. Neben einer reichhaltigen Speisekarte, es gibt nur Hausmannskost mit immer wechselnden Gerichten, einem liebevoll eingerichteten Biergarten in den Sommermonaten und den täglichen News, die nur ein Wirt mit Leib und Seele wissen kann, bekommt man ein frischgezapftes Sternquellbier oder ein anderes Getränk serviert, stets mit den freundlichen Worten „Zum Wohle“.
Auch kümmert sich Werner um viele andere Dinge wie den Winterdienst auf den zu räumenden Zugangswegen in der Gartenanlage, ist Ansprechpartner und auch Kummerkasten für viele. Bewundernswert – seit einigen Jahren führt er die Gaststätte als „Solowirt“, Küche, Getränke, Gaststätte und Biergarten, alles allein.
Seit über einem Jahr haben wir Corona. Waren es zu Beginn nur einige wenige Monate, in denen die Gastronomie eingestellt werden musste, so sind seit November 2020 alle gastronomischen Einrichtungen geschlossen. Keine Speisen, keine Getränke, kein Sternquell und kein „Zum Wohle“ mehr. Was kann gemacht werden, um den Laden dennoch am Laufen zu halten und unseren Wirt zu unterstützen?
Als Verein sind wir Verpächter, kein Arbeitgeber und auch nicht für staatliche Hilfsleistungen verantwortlich oder verpflichtet. Schnell war uns jedoch klar: Um unserem Wirt zu helfen und einen kleinen Beitrag für den Erhalt der Bewirtschaftung leisten zu können, erlassen wir für jeden Monat der Schließung unseres Vereinsheimes wegen Corona die gesamte Pachtsumme. Es ist nicht viel, aber was wir damit machen konnten – unserem Werner auf diese Weise „Danke“ zu sagen für 23 Jahre Treue und Bewirtschaftung.
Das Jahr 2021 ist noch jung, es wird Sommer, und wir haben Hoffnung, ich gehe dann wieder in die „Kantine“ und Werner serviert wie immer mit den freundlichen Worten „Zum Wohle“.
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